Kumite – Hand in Hand mit dem Gegner
(von Marc Janott, Juni 2015, überarbeitet Juni 2016)
Teil 6 von 8: Selbstverteidigungs-Kumite
Selbstverteidigung ist der rechtmäßige Einsatz von Gewalt zum eigenen Schutz vor einem gegenwärtigen und rechtwidrigen Angriff. Der juristische Begriff lautet Notwehr.
„Selbstverteidigungs-Kumite“ ist somit eine Form von Partnerarbeit oder Sparring mit dem Ziel, die Übenden auf echte Notwehr-Situationen vorzubereiten.
Es hat viele Überschneidungen mit Kata-Oyo Bunkai-Kumite. Bei beiden geht es um wirkungsvolle Selbstverteidigung gegen realistische Angriffe. Aber es gibt auch ein paar wichtige Unterschiede.
- Der erste Unterschied is das Ziel:
Das Ziel beim Selbstverteidigungs-Kumite-Training ist es, für jeden Trainierenden individuell Methoden und Techniken zu finden und einzuschleifen, die für den einzelnen Übenden tatsächlich funktionieren. Die individuellen Möglichkeiten in Fähigkeit, Körperbau, Handlungsvermögen und Persönlichkeit müssen berücksichtigt werden. Im Kata-Oyo Bunkai-Kumite hingegen ist das Ziel, die Methoden und Techniken zu erkennen, die für die alten Meister funktionierten.
Selbstverteidigungs-Kumite kann also auf den Ideen aus den Katas aufbauen, aber eigentlich ist alles geeignet, was funktioniert, egal woher es kommt. - Der zweite Unterschied ist Kontext:
Natürlich haben sich die typischen Formen körperlicher Gewalt in den letzten paar Jahrtausenden wohl kaum wesentlich verändert. Sehrwohl aber die gesellschaftlichen Bedingungen. Das trifft auf Waffen zu (weniger Schwerter, mehr Schusswaffen), und es trifft besonders zu auf Recht und Gesetz.
Die meisten Katas wurden im historischen Kontext des 19ten Jahrhunderts oder früher auf Okinawa entwickelt. Aber heutige Selbstverteidigung muss Recht und Gesetz berücksichtigen, wie es heute gilt in dem Land in dem man lebt. Wer Selbstverteidigung trainiert, sollte sich der Rechtslage und möglichen rechtlichen Folgen seiner Handlungen bewusst sein. - Der ditte Unterschied ist der Handlungsspielraum:
Kata-Oyo Bunkai-Kumite lehrt Wege, um einen Angreifer zu überwältigen, sobald er angreift. Aber das ist das letzte Mittel. Das setzt man nur ein, wenn im Vorfeld des Angriffs alles andere versagt hat, nämlich gutes Benehmen, Aufmerksamkeit, Konfliktvermeidung, Deeskalation, Flucht. Diese Fähigkeiten können ebenfalls mit einem Partner eingeübt werden. Ferner sollte Selbstverteidigungs-Training auch unterschiedliche Arten von Gewalt behandeln (soziale, asoziale) und die unterschiedlichen geeigneten Strategien mit ihnen umzugehen.
Eine gute Methode, um das gesamte Spektrum der Selbstverteidigungs-Fähigkeiten unter Druck zu testen, ist Scenario-Training – eine Art Rollenspiel, bei dem man mit aggressiven Situationen umgehen muss, die zu Gewalttaten führen können. Der Aufbau sollte immer wieder auch die Möglichkeit beinhalten, je nach Verhalten den Kampf zu vermeiden
Trotz allem steht im Selbstverteidigungs-Kumite, wie auch bei jeder anderen Art von Kumite, die Sicherheit aller Beteiligten an höchter Stelle.
Im Karate-Training legen wir den Schwerpunkt bei der Selbstverteidigung natürlich auf die körperliche Auseinandersetzung . Aber idealerweise sind die Trainingsmethoden im Selbstverteidigungs-Kumite und im Scenario-Training in eine allgemeine Ausbildung in Selbst-Schutz und Selbstbehauptung im weiteren Sinne eingebettet.